Die 4. SEC-Technology-Tour führte am 26 Aug 2011 eine Gruppe aus Seniorchemikern (GDCh Senior Expert Chemists und VAA Werksgruppe Industriepark Wolfgang) nach Erbach im Odenwald. Trotz der langen Anreise und eines schlechten Wetterberichts war die Tour mit 32 Teilnehmern fast ausgebucht.
Einhard gehörte zu dem großen Kreis der geistigen Elite Europas am Hof Karl des Großen in Aachen. Er stand Karl besonders nah und war sein Biograph. Nach Karls Tod bekam er einen beträchtlichen Teil der Gemarkung Muhlinheim, heute Seligenstadt, geschenkt und baute in Steinbach bei Michelstadt eine Kirche "von nicht unrühmlicher Art" als seine Grablege. Sie ist heute noch erhalten und mit der Basilika in Seligenstadt und der Königshalle in Lorsch unter den letzten noch erhaltenen karolingischen Bauten nördlich der Alpen. Zusammen mit der Gästeführerin konnten die Senioren das feine karolingische Mauerwerk, das original erhaltene Langhaus und sogar Reste von karolingischen Fresken bewundern. Dass es mit Einhards Grablege dann anders kam, ist eine weitere interessante Geschichte.
Mit der gleichen Führerin trafen sich die Pensionäre wenig später in der Kreisstadt Erbach zu einer Stadtführung. Vor dem Schloss begrüßt eine Statue des bedeutendsten der Erbacher Grafen, Franz I, mit einer römischen Toga bekleidet seine Untertanen. Das im Odenwald doch etwas unübliche Kleidungsstück hat Franz seiner Leidenschaft für die Antike zu verdanken. Er grub römische Reste entlang des nahe gelegenen Limes aus und "sammelte" in Italien zahlreiche römische Antiquitäten, heute eine bedeutende Sammlung im Schloss. Er führte aber auch die allgemeine Schulpflicht ein, reformierte die Landwirtschaft und etablierte die Elfenbeinschnitzerei, und damit Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region.
Das barocke Schloss gehört heute dem Land Hessen, aber Erbgraf Eberhard von Erbach-Erbach bewohnt heute den zweiten Stock – ein barockes Penthouse von fast 1000m2. Während man den Grafen korrekt mit "Erlaucht" anredet, ist dem Erbacher an sich gegenüber eher ein "Ei gurre wie" angebracht, was in der praktischen Sprache des Odenwälders etwa "Guten Tag, wie geht es Ihnen" heißt.
Gegenüber dem Schloss liegt das Erbacher Brauhaus direkt an der Mümling. An Brautagen wurde früher ein Reiter flussaufwärts geschickt, um vorher die Einleitung jeglicher Abwässer zu unterbinden. Die Seniorchemiker ließen sich dennoch ein kühles Bier schmecken, war doch die Temperatur mittlerweile auf gut über 30° geklettert. Nach der Pause teilte sich die Gruppe in "Schlossbesichtigung" und "Deutsches Elfenbeinmuseum" auf.
Das Ende der Exkursion bildete eine Besichtigung der Firma Koziol, heute einer der größten Arbeitgeber Erbachs. Das Spannende an Koziol ist weniger die Technologie, sondern seine Entstehung. Auch diese Firma begann mit dem Schnitzen von Elfenbein. Nach 1945 waren jedoch billige Massenprodukte gefragt, und Bernhard Koziol stellte Souvenir-Artikel her. Der große Wurf war dann die Schneekugel, zu dessen Herstellung Herr Koziol angeblich durch einen Blick aus dem Bretzelfenster seines VW-Käfers in den verschneiten Odenwald angeregt wurde. Durch konsequente Umstrukturierung der Produktpalette spielt Koziol heute im Konzert der ganz großen Produktdesigner mit: "Designed in Odenwald." Die Liste der Internationalen Design-Preise ist beachtlich.
Nach einem Blick in die moderne Spritzguss-Halle von Koziol konnten sich die Besucher im "Koziol-Outlet" selber ein Bild von den vielen witzigen Ideen der Koziol-Designer machen. Besondere Berühmtheit errang ein Eierbecher in der angedeuteten Form eines iPods der Firma mit dem Apfel. Im August 2010 klagte Apple erfolgreich gegen die Verwendung des Namens. Der Eierständer wird denn auch jetzt unter dem Namen "Pott 2.0" verkauft; die zugehörige Pappschachtel ziert ein geköpftes Ei – nicht im Entferntesten einem angebissenen Apfel ähnelnd.
SEC Technology Touren werden derzeit organisiert von Wolfgang Gerhartz, Tel 06251-938558. Anregungen zur Gestaltung künftiger Exkursionen sind willkommen.
zuletzt geändert am: 25.11.2023 12:13 Uhr von W.Gerhartz