Regulatory Affairs Specialist

ICH BIN: Regulatory Affairs Specialist

Dr. rer. nat. Christos Panagiotidis
Univar Solutions GmbH
 

Dr. Christos Panagiotidis entschied sich nach seiner Promotion für den Wechsel in die Wirtschaft. Sein Berufseinstieg begann mit dem Aufbau eines Labors in einem mittelständischen Unternehmen. Durch seine umfassenden Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen wechselte er später in den Chemiegroßhandel. Seitdem arbeitet er als Regulatory Affairs Specialist bei Univar Solutions GmbH.

Wieso haben Sie sich für ihr Fachgebiet entschieden? Was hat Sie daran gereizt?

Im Chemieunterricht endete ein Lehrfilm sinngemäß mit folgendem Satz: „So werde auch du Herrscher der Elemente!“ Mit Hand und Verstand neue Stoffe über Synthesemethoden zu erschaffen und Naturgeheimnisse zu entlüften, wirkte auf mich wie faszinierende Magie. Die Spezialisierung auf die Organische Chemie entsprach dieser Vorstellung am nächsten und die Entscheidung hierfür fiel bereits in der Schulzeit im „Jahr der Chemie“ 2003, wo ich an der Universität durch Experimente mit duftenden Fruchtestern in das Fachgebiet und Arbeitskreis im wahrsten Sinne reinschnuppern konnte. Mit dem Studium und Promotion wurde ich dann auch konsequent bioorganischer Synthesechemiker. Obwohl dies einem Zauberer sehr nahe kommt, so ist der Nutzen der Chemie in der echten Welt doch noch am spannendsten.

Wie sah Ihr Berufseinstieg aus?

Die auffällige Zunahme weißer Kopfhaare beim Schreiben der Dissertation machten deutlich, dass der weitere Verbleib im Wissenschaftsbetrieb für mich nicht erstrebenswert ist. Der Wechsel in die Wirtschaft erschien als die einzig wahre Alternative und mit Geduld, kontinuierlicher Lernbereitschaft und Hartnäckigkeit eröffnete sich dann die einzigartige Gelegenheit ein Labor aufzubauen für ein mittelständisches Unternehmen aus der Beauty-Branche. Es begann mit einem leeren Raum und endete mit erfolgreichen Permanent Make-up Farben und Kosmetika für ein professionelles Kundensegment. Dazwischen liegen vielschichtige und einprägsame Erfahrungen von Einkauf, Labormanagement, Rezeptur- und Produktentwicklung, Verpackungsgestaltung und Produktion bis hin zu Logistik, Mitarbeiterführung, Marketing und internationalen Messebesuchen.

War Ihnen bewusst, dass Sie in Ihr heutiges Berufsfeld gehen möchten? Oder gab es weitere Stationen, die Sie dorthin gebracht haben?

Absolut nicht. Wir sind alle auf einer Reise mit Flüssen, Tälern und Bergen, die den Blick am Horizont größtenteils versperren. Die Fragen sind eher: Wo steht man jetzt? Und wo kann man von hier aus weiter? 
Letztlich ermöglichten mir die praktischen Erfahrungen mit der Tatöwiermittel-Verordnung, der Kosmetik-Verordnung (EU) 1223/2009, die behördlichen Melde- und Kennzeichnungspflichten und das Verfassen von Sicherheitsdatenblättern den nächsten Pfad einzuschlagen in Richtung Regulatory Affairs für den Chemiegroßhandel. Ein spezieller Bereich mit besonderen Anforderungen, in dem ich zwar sehr gerne mitwirke, aber dessen Existenz an einem früheren Standpunkt schlicht nicht bewusst war.

Was machen Sie heute? Welche Aufgaben haben Sie als Regulatory Affairs Specialist?

Kunden beziehen chemische Rohstoffe im Großhandel und benötigen hierfür zusätzliche Informationen und Herstellerbescheinigungen im Rahmen gesetzlicher Anforderungen und weiterer Produktzertifizierungen. Wenn beispielsweise im Supermarkt auf der Spülmittelflasche „Frei von Tierversuchen und Palmöl“ stehen soll, dann bin ich im stetigen Dialog mit unseren Rohstofflieferanten und kläre entlang der Lieferkette auf. Hinzu kommt das Ausfüllen umfassender chemieregulatorischer Kundenfragebögen und Onlineplattformen. Auch koordiniere ich Eigenmarken und beurteile deren chemische Zusammensetzung in Hinblick auf rechtliche Standards und zugelassene Anwendungen mitsamt offizieller Stellungnahmen. Des Weiteren halte ich interne europaweite Schulungen zu industrierelevanten Compliance-Themen.

Welche Kenntnisse und Eigenschaften sollte man für Ihr Berufsfeld mitbringen?

Ein hohes interkulturelles Kommunikationsvermögen mit sehr guten Englischkenntnissen sind Grundvoraussetzung in internationalen Großkonzernen. Man ist ein hochmotivierter Teamplayer mit einer kunden-, prozess- und zielorientierten Herangehensweise. 
Das Regulatory Affairs Berufsfeld im speziellen benötigt eine detailorientierte und sorgfältige Arbeitsweise mit hohen analytischen Denkvermögen und ähnelt in ihren Anforderungen Rechtsabteilungen und dem Qualitätsmanagement. Erfahrungen in der wissenschaftlichen Literaturrecherche sind sehr hilfreich im Verständnis stetig revidierender Gesetzestexte und technischer Standards, welche adäquat für verschiedene Gruppen zusammengefasst und präsentiert werden müssen. Kenntnisse im Projektmanagement und Selbstorganisation sind sehr zu empfehlen.

Beschreiben Sie einen typischen Arbeitstag. Gibt es unvorhergesehene Ereignisse, die Ihre Aufmerksamkeit fordern? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Kollegen? Arbeiten Sie im Team?

Es ist eine Computerarbeit und vom Büro oder von zu Hause aus durchführbar. Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen finden nur gelegentlich statt. Jeder Tag beginnt immer mit dem abarbeiten neuer Emails und Beantwortung regulatorischer Kundenanfragen, welche im Umfang und Komplexität stark variieren können. Ich kommuniziere täglich mit Lieferanten und Produktmanagern. Einmal wöchentlich tausche ich mich mit meinem Teamleiter über persönliches und berufliches aus. Meine Kollegen sind in ganz Europa verteilt und wir haben regelmäßige Besprechungstermine zwecks Arbeitsaufteilung oder Projektbesprechungen. Für Projekttätigkeiten plane ich bis zu 20% der Arbeitszeit täglich ein. Projekte können aus diversen Gründen stoppen oder Aufgaben müssen umgeplant werden. Als wachsender Experte für bestimmte Themen wird man im Unternehmen zum jederzeitigen Ansprechpartner.

Inwieweit unterscheidet sich Ihr Arbeitsalltag heute von dem während des Studiums/ der Promotion? Inwiefern hat Ihr Studium/ Ihre Promotion Sie auf Ihren heutigen Job vorbereitet?

Praktische Tätigkeiten fallen fast komplett weg und man ist nicht zwingend an einen bestimmten Standort gekoppelt. Großkonzerne sind im Gegensatz zu den meisten Arbeitsgruppen an der Universität wesentlich hierarchischer aufgebaut, wodurch die Umsetzung neuer Ideen länger dauern kann. Im Compliance-Bereich wird ein noch viel größerer Wert auf Rückverfolgbarkeit der Kommunikation gelegt, sowie auf Standard Operating Procedures (SOPs) und Genehmigungsverfahren. Klausuren fallen weg, aber die „Prüfungen“ bleiben in Form von KPIs und regelmäßigen Mitarbeitergesprächen. 
Nützliches Wissen aus dem Studium umfasst u.a. die Chemie-Nomenklatur, die physikalischen Eigenschaften, die gängigen großindustriellen Herstellungsverfahren von Grundchemikalien und der Umgang mit Sicherheitsdatenblättern bzw. CAS-Nummern. Die Promotion war der Einstieg im selbständigen Arbeiten und Kooperation im internationalen Projekten. Ich habe intuitiv Projektmanagement gelernt ohne es explizit so genannt zu haben.

Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit? Gibt es besondere Herausforderungen?

Mich begeistert die Tätigkeit gleichermaßen auf den Ebenen Chemiegroßhandel und Regulatory Affairs. Als logistisches Rückgrat der Chemiewirtschaft und globaler Marktplatz werden Kunden aller Industriezweige mit einer sich ständig erweiternden Produktpalette bedient. Das alleine ist schon sehr abwechslungsreich. Als Distributor von Basis- und Spezialchemikalien bin ich allerdings häufig auf die Informationslage unserer Hersteller angewiesen, was Freigaben der Rohstoffe gemäß bestimmter Anwendungen und Regularien blockieren kann. Im Chemical Compliance-Bereich ist man professioneller Neinsager und das aus gutem Grund, denn die Sicherheit und Nachhaltigkeit für Mensch, Natur und Umwelt sind nicht verhandelbar. Jedes geteilte Zertifikat und jede Stellungnahme trägt sinnstiftend dazu bei.

Hat sich Ihr Aufgabenbereich mit der Zeit geändert?

Mit zunehmender Erfahrung kamen weitere verantwortungsvolle Aufgaben hinzu. Dazu zählt beispielsweise das Durchführen von Schulungen zu Themen wie interne Policies, Ecolabel und überarbeitete EU-Rechtsvorschriften. Mir wurde die Koordination unserer technischen Eigenmarken anvertraut. Hier bewerte und bestimme ich das Produkt und dessen Zusammensetzung auf dessen Zulassung je nach Fragestellung. Hinzu kommen zahlreiche interdisziplinäre Projekte mit anderen Abteilungen. 

Wie sehen Karrieremöglichkeiten in Ihrem Berufsfeld aus?

Es bietet sich immer die Möglichkeit, sein Wissen zum Chemikalienrecht eigeninitiativ zu erweitern und zu vertiefen und sich über Sonderprojekte zum Experten zu beweisen. Das Mitwirken in Industrieverbänden spielt hier auch eine Rolle. Der langfristige Wechsel in andere Compliance-Bereiche des EHSQ ist auch denkbar. Eine weitere Option ist der Wechsel zum Management von Mitarbeitern. Je nach Persönlichkeit und Fähigkeiten ist der Wechsel in den Vertrieb oder technischen Support auch eine Option. 

Wenn jemand den gleichen Karriereweg einschlagen möchte, was würden Sie ihm raten?

Die ECHA-Webseite sollte man sich mal genau anschauen, einschließlich EU-Verordnungen und Schadstoffdatenbanken.
Meine generellen Bewerbungstipps laufen immer auf drei Aspekte hinaus:
1. Organisation: Je nach Mitarbeiterzahl von Start-up bis Großkonzern ist die Dynamik eine andere. Ich empfehle für den Einstieg eher kleine bis mittelständische Unternehmen, um breitere Erfahrungen zu sammeln und offen zu sein für unvertraute Aufgaben.
2. Identifikation: Empfinde ich den gesellschaftlichen Nutzen der Endprodukte bzw. Dienstleistung als sinnhaft und mit den eigenen Werten vertretbar? Falls nicht, dann weiterziehen.
3. Funktion: Will ich lieber viele verschiedene Funktionen übernehmen innerhalb einer Branche oder eine Funktion innerhalb vieler verschiedener Branchen?

Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung genderspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.

zuletzt geändert am: 03.09.2024 08:13 Uhr von A.Miller