Laborleiterin für Massenspektrometrie

ICH BIN: Laborleiterin an der Gerichtsmedizin

Dr. Nadine Theofel
Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin

Dr. Nadine Theofel hat sich schon während ihres Studiums auf die Analytische Chemie spezialisiert. Die Leidenschaft für dieses Fachgebiet hat sie auch während ihrer Promotion und des Postdocs begleitet. Um sich nach der Postdoc-Zeit auf Laborleiterposition bewerben zu können, hat sie sich u. a. in GMP und GLP weitergebildet. Heute leitet sie ein Labor für Massenspektrometrie in der Forensischen Toxikologie am Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin.

Wieso haben Sie sich für ihr Fachgebiet entschieden? Was hat Sie daran gereizt?

Die Analytische Chemie begeistert mich, weil sie die verschiedenen Gebiete der Chemie miteinander verbindet: Anorganische, Organische und Physikalische Chemie. Diese Vielseitigkeit macht sie so spannend und erfüllend.

Viele gesellschaftlich relevante Fragen können mit Hilfe von Analytischer Chemie beantwortet werden. Besonders spannend finde ich, dass man nicht nur im Labor mit empfindlichen Messgeräten neue chemische Strukturen entdecken und Stoffgehalte in komplexen Proben bestimmen kann, sondern auch Analysen vor Ort durchführen kann. Diese Abwechslung und das breite Einsatzfeld sind einfach unglaublich spannend.

Inzwischen bin ich Laborleiterin für Massenspektrometrie am Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Dort helfe ich bei der Aufklärung von Unfällen, Suiziden und Tötungsdelikten.

Wie sah Ihr Berufseinstieg aus?

Ich habe Chemie an der Technischen Universität in Berlin studiert und mich schon während des Studiums auf die Analytische Chemie spezialisiert. In dieser Zeit habe ich alle Vorlesungen zu diesem Thema besucht und hatte das Glück, einen sehr motivierenden Diplomvater zu haben, der mich frühzeitig an das Thema herangeführt hat - damals war es Nitrit, das mein Interesse geweckt hat. Im Rahmen meiner Diplomarbeit konnte ich eine photometrische Methode weiterentwickeln, mit der man auch anorganische Ionen im Wasser nachweisen kann. Diese Methode konnte ich letztes Jahr bei einem Suizidfall erfolgreich anwenden, bei dem die Person Pökelsalz eingenommen hatte.

Diese Begeisterung hat mich auch während meiner Promotion begleitet. Hier hatte ich die Möglichkeit, nach neuen metabolischen Biomarkern zu suchen. Ziel war es unter anderem, metabolische Biomarker für Qualitätsmerkmale wie Chipseignung und Lagerfähigkeit von Kartoffelknollen zu finden. Mein Doktorvater hat meine Leidenschaft für die Analytische Chemie schon früh gefördert und mich immer wieder mit neuen wissenschaftlichen Projekten versorgt. Schließlich konnte ich am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie viel publizieren und meine Ergebnisse auf Konferenzen und Workshops vorstellen.

War Ihnen bewusst, dass Sie in Ihr heutiges Berufsfeld gehen möchten? Oder gab es weitere Stationen, die Sie dorthin gebracht haben?

Im Gegensatz zu anderen in meinem Beruf hatte ich nie den konkreten Wunsch, in die Rechtsmedizin, speziell in die Forensische Toxikologie zu gehen. Ich war aber immer offen für neue wissenschaftliche Fragestellungen.

Während meiner Postdoc-Zeit beschäftigte ich mich mit Wurzelexsudaten, dem unterirdischen Teil der Pflanze, und tauchte tief in die Grundlagenforschung ein. Meine Aufgabe bestand darin, ein Protokoll zur Probenvorbereitung von hydroponischen Systemen zu etablieren, Markersubstanzen massenspektrometrisch nachzuweisen und die chemische Struktur der gefundenen Substanzen aufzuklären.

In meiner Freizeit habe ich mich in den Bereichen Good Manufacturing Practice (GMP) und Good Laboratory Practice (GLP) weitergebildet, um mich nach meiner Postdoc-Zeit auf Laborleiterpositionen bewerben zu können. In diesem Zeitraum habe ich zusätzlich die von der GDCh angebotene Weiterbildung zum Geprüften Qualitätsexperten absolviert.

Was machen Sie heute? Welche Aufgaben haben Sie als Laborleiterin für Massenspektrometrie?

Heute leite ich ein Labor für Massenspektrometrie in der Forensischen Toxikologie. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, herauszufinden, ob Verstorbene kurz vor ihrem Tod unter dem Einfluss von Medikamenten, Drogen oder anderen psychotrop aktiven Substanzen standen. Die ständige Auseinandersetzung mit dem Thema Tod ist emotional belastend, vor allem wenn man die Geschichten hinter den Fällen kennt.

Wir analysieren aufbereitete Urinproben mittels LC/MS und GC/MS. Anschließend quantifizieren wir die relevanten Substanzen überwiegend im Schenkelvenenblut. Dann beurteilen wir, ob die aufgenommene Dosis noch im therapeutischen Bereich lag, toxisch wirkte oder sogar komatös-tödlich war.

Dabei stützen wir uns auf umfangreiche Literaturangaben zu bereits veröffentlichten Fällen. Oft ist es notwendig, neue Methoden zu entwickeln, um einen spezifischeren Nachweis zu erbringen. Diese Herausforderung treibt uns an, auch wenn der Druck manchmal groß ist, besonders wenn es um ungeklärte Todesursachen geht. Der Austausch mit Kollegen aus anderen toxikologischen Einrichtungen hilft uns dabei Lösungen zu finden.

Welche Kenntnisse und Eigenschaften sollte man für Ihr Berufsfeld mitbringen?

Im Vorfeld habe ich den GDCh-Kurs "Einführung in die Toxikologie für Chemiker" besucht. Dieser hat mir sehr geholfen, mich in die Toxikologie einzuarbeiten. 

Durch meine jahrelange Erfahrung mit Massenspektrometern, sowohl im hoch- als auch im niedrigauflösenden Bereich, fiel mir der Einstieg in den analytischen Teil meiner neuen Aufgabe relativ leicht. Rückblickend denke ich, dass es wichtig ist, in der Analytischen Chemie sattelfest zu sein, da der Austausch mit Pharmazeuten und Ärzten sehr stark von diesem Wissen abhängt.

Wichtig ist auch die emotionale Bereitschaft, sich täglich mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen. Auch nach vielen Jahren fällt es mir immer noch schwer, den Obduktionssaal zu betreten. Ich freue mich über jeden Tag, an dem das nicht nötig ist. Diese psychische Belastung ist nicht zu unterschätzen und man braucht viel innere Stärke, um damit umzugehen.

Beschreiben Sie einen typischen Arbeitstag. Gibt es unvorhergesehene Ereignisse, die Ihre Aufmerksamkeit fordern? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Kollegen? Arbeiten Sie im Team?

In der Regel werden bei uns von Montag bis Freitag drei bis sechs Verstorbene von Rechtsmedizinern obduziert. Häufig schließt sich eine toxikologische Untersuchung an, die eine Alkoholbestimmung, ein Screening mittels GC/MS oder LC/MS und eine Quantifizierung der gefundenen Analyten im Schenkelvenenblut umfasst. Das technische Personal übernimmt die Routineaufgaben wie Probenvorbereitung und Durchführung der Messungen. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt dann durch die Laborleitungen, während die abschließende Befundung gegenüber der Staatsanwaltschaft durch die Leitung oder deren Stellvertretung erfolgt.

 

Oft finden wir die Substanz, die zum Tod beigetragen hat. Manchmal entdecken wir aber auch neue, bisher unbekannte Substanzen, da der Drogenmarkt ständig neue Substanzen hervorbringt. Diese Aufgabe gleicht oft einem Puzzle, das uns zum Teil an die Grenzen des Machbaren führt, aber die Herausforderung und die Freude, wenn wir die Lösung finden, entschädigen für alle Mühen.

 

Wenn kein Verdacht auf Fremdverschulden besteht, können die Untersuchungen in aller Ruhe durchgeführt werden. In seltenen Fällen muss jedoch ein Fremdverschulden geprüft werden. Diese Fälle werden dann als "Sofortobduktion" eingeordnet und müssen möglichst noch am selben Tag bearbeitet werden. Dies mit der täglichen Routine in Einklang zu bringen, kann eine Herausforderung sein.

Inwieweit unterscheidet sich Ihr Arbeitsalltag heute von dem während des Studiums/ der Promotion? Inwiefern hat Ihr Studium/ Ihre Promotion Sie auf Ihren heutigen Job vorbereitet?

Früher überwog die forschende Arbeit. Heute sind die meisten Fälle Routine. Die Vielseitigkeit kommt nur in wenigen Fällen zum Tragen. Diese sind für mich dann umso spannender.

Mein Arbeitsalltag im Labor und im Büro ist heute sehr strukturiert, was sowohl an den behördlichen Vorgaben als auch an meinem Familienalltag liegt. Die behördlichen Vorgaben geben zum Beispiel klare Zeitfenster für bestimmte Arbeitsabläufe und Dokumentationen vor, während der Familienalltag dafür sorgt, dass ich meine Zeit sehr effizient plane, um alles unter einen Hut zu bekommen.

Trotz der oft anstrengenden Arbeit nehme ich hin und wieder ungelöste Massenspektren mit nach Hause, weil es mir Spaß macht, diese Rätsel zu lösen. Das gibt mir ein Gefühl von Kontrolle und Freude an der Wissenschaft, gerade in einem Berufsfeld, das so oft von tragischen Schicksalen geprägt ist. Mein Studium hat mir dafür eine gute Grundlage gegeben, indem ich viele chemische Verbindungen und Reaktionen kennengelernt habe - dieses Wissen hilft mir jetzt enorm, wenn ich Experimente plane oder über mögliche Gifte diskutiere.

Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit? Gibt es besondere Herausforderungen?

Es mag makaber klingen, aber es ist immer wieder erstaunlich, welche Wege Menschen wählen und welche chemischen Verbindungen dabei eine Rolle spielen, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Diese Vielfalt zeigt, wie kreativ und komplex solche Fälle sein können, was mich immer wieder aufs Neue herausfordert. Manchmal ist es aber auch emotional sehr schwer, sich mit diesen Geschichten auseinanderzusetzen, vor allem, wenn die Betroffenen jung sind oder aus tiefer Verzweiflung handeln.

Es ist spannend, sich mit diesen Molekülen zu beschäftigen und flexibel zu bleiben, denn die Themen ändern sich ständig. Heute beschäftigen wir uns vielleicht mit einer Pilzvergiftung, morgen mit K.O.-Mitteln und übermorgen mit neuen psychoaktiven Substanzen.

Viele unserer Fälle sind emotional belastend, vor allem wenn Kinder betroffen sind. Der ständige Kontakt mit solch tragischen Geschichten erfordert viel mentale Stärke und hinterlässt manchmal eine Schwere, die man nur schwer abschütteln kann.

Hat sich Ihr Aufgabenbereich mit der Zeit geändert?

Wir sind ständig mit zwei Herausforderungen konfrontiert:

Zum einen kommen jedes Jahr neue psychoaktive Substanzen auf den Markt. Dies geschieht unter anderem, um das Betäubungsmittelgesetz zu umgehen. Hier gilt es, den Überblick zu behalten.
Zum anderen konsumieren vor allem junge Erwachsene häufig Mischungen verschiedener Betäubungsmittel. Zu wissen, welche Mischungen gerade im Trend liegen, erleichtert uns die tägliche Arbeit.

Die Analyse der Proben hat sich in den letzten Jahren hingegen kaum verändert. Etablierte Routinen werden auch auf neueren Geräten eingesetzt, um bewährte Standards nutzen zu können.

Ich bin aber sehr gespannt, welche Rolle KI in Zukunft in unserem Bereich spielen wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass vor allem Routineanalysen damit wesentlich einfacher und zuverlässiger sein werden.

Wie sehen Karrieremöglichkeiten in Ihrem Berufsfeld aus?

Unsere Struktur ist relativ überschaubar: Wir haben einen Abteilungsleiter, zwei Laborleiter und fünf technische Mitarbeiter. Daher gibt es in unserer Abteilung kaum klassische Karriere- oder Aufstiegsmöglichkeiten.

Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, sich fachlich weiterzuentwickeln und zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, zum Beispiel durch die Betreuung neuer Projekte oder die Weiterbildung von Mitarbeitenden. Durch die Übernahme solcher Sonderaufgaben und die damit verbundene Expertise wird man oft anerkannt.

Wenn jemand den gleichen Karriereweg einschlagen möchte, was würden Sie ihm raten?

Auf jeden Fall sollte man sich in der Analytischen Chemie gut auskennen - vor allem in der Organischen, aber auch in der Anorganischen Chemie. Außerdem ist es hilfreich, wenn man schon einmal einen Gerätepark mit Massenspektrometern betreut hat - dieses Geräteverständnis spart viel Zeit.

Weiterhin würde ich empfehlen, frühzeitig Kurse in Toxikologie zu belegen, um die Pharmakokinetik und den Metabolismus der untersuchten Substanzen besser einschätzen zu können – und somit auch Wechselwirkungen besser zu verstehen. 

Erfahrungen im Bereich von akkreditierten Laboratorien sind ebenfalls von Vorteil. Auch wenn die Leichen-Tox noch nicht durch eine DIN-Norm abgebildet werden kann, so ist es sehr hilfreich zu wissen, wie man am besten nach DIN ISO 17025 arbeitet.

Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung genderspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.

zuletzt geändert am: 29.01.2025 13:11 Uhr von A.Miller