Von der Anorganikerin zur Biotechnologin: Als Direktorin des Instituts für Enzymtechnologie der Universität Düsseldorf beschäftigte sich Maria-Regina Kula mit Biokatalysatoren. Für ihre Erkenntnisse erhielt sie im Jahr 2002 den Deutschen Zukunftspreis.
Maria-Regina Kula wurde im März 1937 in Berlin geboren. Nach dem Abitur studierte sie zunächst an der Berliner Humboldt-Universität und dann an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) Chemie. An der LMU schloss sie 1962 auch ihre Doktorarbeit ab. Im Arbeitskreis von Egon Wiberg (1901-1976) und Eberhard Amberger (1926-1995) hatte sie sich vorwiegend mit Hydriden und Doppelhydriden beschäftigt. Wiberg, der bekannte Mitverfasser des Standardwerks „Lehrbuch der Anorganischen Chemie“, war ihr Doktorvater.
Nach der Dissertation blieb Maria-Regina Kula zunächst am Institut für anorganische Chemie der LMU. Anschließend hielt sie sich von 1964 bis 1967 als Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland auf. Da sich ihr Interessenschwerpunkt von der anorganischen Chemie zu den Biowissenschaften verschoben hatte, fand sie nach ihrer Tätigkeit in den USA eine Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin in Göttingen. Im Jahr 1969 wechselte sie als Abteilungsleiterin zur Gesellschaft für Molekularbiologische Forschung in Braunschweig, aus der 1976 die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung und im Jahr 2006 das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) hervorging. Kula prägte die Einrichtung von 1975 bis 1979 als wissenschaftliche Direktorin und war dort bis 1985 als Abteilungsleiterin tätig.
Im Jahr 1979 hatte sich Maria-Regina Kula im Fach Biochemie an der TU Braunschweig habilitiert. Von 1986 bis 2002 war sie Professorin und Direktorin des Instituts für Enzymtechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, das sich auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich befindet. Besonders fruchtbar während dieser Zeit war ihre Zusammenarbeit mit den Biotechnologie-Professoren Christian Wandrey (geb. 1943) und Hermann Sahm (geb. 1942).
Prof. Kula faszinierten besonders die katalytischen Eigenschaften von Enzymen. Sie wollte sie als Katalysatoren in die chemische Industrie bringen und hat sich daher schon früh mit Verfahren zur Isolierung intrazellulärer Enzyme in größerem Maßstab befasst. Ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet fanden in Deutschland relativ wenig Beachtung, wurden mit den Fortschritten in der Bio- und Gentechnik aber immer wichtiger. In Amerika machte sich Maria-Regina Kula damit einen Namen, während sie in Deutschland eher für andere Leistungen bekannt ist, darunter die Entwicklung eines Enzym-Membran-Reaktors.
Sie war zehn Jahre Co-Editor für den Bereich „Downstream Processing“ bei Biotechnology & Bioengineering, der führenden Fachzeitschrift in der Biotechnologie. Über Jahrzehnte hat sie zudem die internationale Tagung „Recovery of Biological Products“ mitorganisiert. Für ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse wurde Maria-Regina Kula mehrfach geehrt. So wurde sie zum auswärtigen Mitglied der amerikanischen National Academy of Engineering gewählt und erhielt einen Ehrendoktortitel der Universität Lund. Für ihre Arbeiten zu Enzym-Membran-Reaktoren erhielt die Professorin 1983 den Technologie-Transfer-Preis des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Auf diesem Gebiet kooperierte sie mit dem Unternehmen Degussa. Ziel war die industrielle Gewinnung von L-Aminosäuren, vor allem von L-Methionin. Seit März 1995 gehört sie der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften an und 1997 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
Als Krönung ihrer wissenschaftlichen Karriere erhielt sie Ende 2002 zusammen mit der Chemikerin und Biotechnologin Martina Pohl (geb. 1961) den Deutschen Zukunftspreis für ihre Forschung zur sanften Chemie mit Biokatalysatoren. Anfang desselben Jahres, im März 2002, wurde Maria-Regina Kula emeritiert. Sie ist seit 1965 Mitglied der GDCh und lebt heute in München.
Hinweis
Die in dieser Reihe veröffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, möchten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen Fällen gibt es ausführliche chemiehistorische Arbeiten.
Autoren
Prof. Dr. Eberhard Ehlers
Prof. Dr. Heribert Offermanns
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. Uta Neubauer
Projektleitung
Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-Öffentlichkeitsarbeit)
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Foto: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz
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zuletzt geändert am: 16.07.2021 13:18 Uhr von M.Fries