In ihrer Tätigkeit als Privatlehrerin für Naturwissenschaften fand sie keine Erfüllung, daher begann Margarete von Wrangell im Alter von 26 Jahren mit dem Studium der Chemie und Botanik. Als Leiterin des Instituts für Pflanzenernährung in Hohenheim erregte sie mit Studien zur Phosphordüngung weltweit Aufsehen.
Margarete Baroness von Wrangell wurde am 7. Januar 1877 in Moskau geboren. Sie entstammte einer alteingesessenen baltischen Adelsfamilie und wuchs in Moskau sowie im estländischen Reval, dem heutigen Tallinn, auf. Nach dem Besuch einer deutschsprachigen Mädchenschule in Reval und ihrem Lehrerinnenexamen, das sie im Jahr 1894 mit Auszeichnung bestand, erteilte sie mehrere Jahre lang naturwissenschaftlichen Privatunterricht. Ihre Erfüllung fand sie darin aber nicht. So schrieb sie in einem Brief an eine Freundin: „Es geht mir miserabel. Ich komme gar nicht auf dieser verschrobenen Welt zurecht. […] Ich war alles so überdrüssig. […] Kommt denn wirklich gar nichts Packendes, Lebendes, Lebenslohnendes?“
Im Alter von 26 Jahren – nach dem Besuch eines Botanik-Kurses an der Königlichen Universität in Greifswald – beschloss von Wrangell Naturwissenschaften zu studieren. Sie immatrikulierte sich 1904 als eine von wenigen Frauen für die Fächer Botanik und Chemie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Im Königreich Württemberg, zu dem Tübingen damals gehörte, durften Frauen seit 1904 die Hochschulen besuchen. Damit gehörte Margarete von Wrangell zu den ersten weiblichen Studierenden. Sie wurde 1909 in Tübingen in organischer Chemie mit summa cum laude promoviert. Der Titel ihrer Doktorarbeit lautete „Isomerieerscheinungen beim Formylglutaconsäureester und seinen Brom-Derivaten“. Anschließend fand sie eine Anstellung an der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Dorpat, heute Tartu, der nach Tallinn zweitgrößten Stadt Estlands.
Forschungsaufenthalte verbrachte von Wrangell 1910 beim Chemienobelpreisträger William Ramsey (1852-1916) am University College in London (1910) und 1912 bei der zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie (1867-1934) an der Sorbonne in Paris. Ende 1912 übernahm sie die Leitung der Versuchsstation des Estländischen Landwirtschaftlichen Vereins in Reval. Als die Station während der Oktoberrevolution 1917 schließen musste, wurde von Wrangell für mehrere Wochen inhaftiert, denn sie hatte sich geweigert, die Kontrolle der Station an die Revolutionäre zu übergeben. Nach ihrer Befreiung durch deutsche Truppen verließ sie das Baltikum für immer.
Im Sommer 1918 ergab sich für von Wrangell die Chance auf eine Stelle an der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Hohenheim bei Stuttgart. Dort wurde sie bereits 1920 mit der Leitung des neu gegründeten Instituts für Pflanzenernährung betraut. Ihre Habilitation erfolgte im selben Jahr mit einer wissenschaftlichen Arbeit über „Phosphorsäureaufnahme und Bodenreaktion“. Die Stelle als Institutsleiterin war zunächst als Extraordinariat ausgeschrieben, doch am 1. Januar 1923 wurde von Wrangell trotz erheblichen Widerstands der männlichen Fakultätsmitglieder zur ordentlichen Professorin für Pflanzenernährungslehre an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim ernannt. Sie war die erste ordentliche Professorin in Deutschland.
Von Wrangell erwarb sich in relativ kurzer Zeit ein beachtliches wissenschaftliches Renommee. Persönlich aber galt sie als dominant bis herrisch. Für ein kollegiales Verhältnis zu den anderen Hochschullehrern in Hohenheim war das nicht gerade förderlich, wie sie in einem Brief an ihre Mutter zum Ausdruck bringt: „Ich habe viele Kämpfe in meinem Berufe. Ich bin der erste ordentliche weibliche Professor in Deutschland. Bin zudem durch einige wissenschaftliche Größen öffentlich anerkannt worden. Das hat mir die Feindschaft vieler eingetragen; aber mein Institut ist eine Schöpfung, die von dauerndem Wert und Nutzen bleiben wird. […] Jedenfalls weiß ich, wofür ich kämpfe.“
Durch ihre Studien zur Phosphordüngung, die zum Teil einen heftigen Meinungsstreit auslösten, wurde von Wrangell weit über ihr Fachgebiet hinaus als Wissenschaftlerin bekannt. Viel beachtet wurde zudem ihre Funktion als Herausgeberin des praxisorientierten Buchs „Die Düngerlehre“ ihres sowjetischen Fachkollegen Nikolajewitsch Prjanischnikow (1865-1948), das 1923 erschien. Im Jahre 1928 heirate von Wrangell ihren Vetter und Jugendfreund, den Fürsten Wladimir Andronikow. Fortan durfte sie sich Fürstin Andronikow nennen.
Ihr inniges Verhältnis zu Pflanzen beschrieb von Wrangell so: „Ich lebte mit den Pflanzen. Ich legte das Ohr an den Boden und es schien mir, als seien die Pflanzen froh, etwas über die Geheimnisse des Wachstums erzählen zu können.“ In Ihrer Zeit als Leiterin des Hohenheimer Instituts wurden 42 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht und 15 Dissertationen angefertigt. Das Institut, zu dem Laboratorien und ein Versuchsfeld gehörten, leitete sie in finanziell schwierigen Zeiten bis zu ihrem frühen Tod am 21. März 1932. Margarete von Wrangell verstarb im Alter von nur 55 Jahren in Hohenheim an einem chronischen Nierenleiden.
Als die Universität Hohenheim im Januar 2018 ihr 200-jähriges Bestehen feierte, würdigte sie von Wrangell als eine der wichtigsten Frauen in der Geschichte der Hochschule. Außerdem tragen zwei staatliche Förderinitiativen ihren Namen: eine 1992 von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gegründete Stiftung und ein 1997 vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg aufgelegtes Habilitationsprogramm für Frauen, das bereits über 200 Wissenschaftlerinnen gefördert hat. Der Frauenanteil an baden-württembergischen Hochschulen stieg dadurch in den vergangenen Jahren signifikant.
Hinweis
Die in dieser Reihe veröffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, möchten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen Fällen gibt es ausführliche chemiehistorische Arbeiten.
Autoren
Prof. Dr. Eberhard Ehlers
Prof. Dr. Heribert Offermanns
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. Uta Neubauer
Projektleitung
Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-Öffentlichkeitsarbeit)
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Foto: Wikimedia Commons, Unknown author, Margarete von Wrangell, gemeinfrei
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zuletzt geändert am: 30.03.2023 13:50 Uhr von K.J.Schmitz