Zusammen mit ihrem Ehemann suchte Ida Noddack nach neuen Elementen und entdeckte Rhenium. Außerdem gilt sie als Vordenkerin der Kernspaltung. Für den Nobelpreis wurde sie mehrmals nominiert, erhielt ihn aber nie.
Ida Eva Noddack (geb. Tacke) kam am 25. Februar 1896 im niederrheinischen Lackhausen, das heute zu Wesel gehört, auf die Welt. Sie besuchte eine Mädchenoberschule und danach zwei Jahre lang das St. Ursula Gymnasium in Aachen. Mit starker Unterstützung durch ihren Vater studierte sie als eine der ersten Frauen in Deutschland Chemie und wurde 1921 an der Technischen Hochschule Berlin zur Doktorin der Ingenieurswissenschaften promoviert. Der Titel ihrer Dissertation lautete „Über Anhydride höherer aliphatischer Fettsäuren“. Anschließend arbeitete sie für einige Jahre in der Industrie bei AEG.
1925 trat sie als Forschungschemikerin in die Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR) in Berlin ein und lernte dort Walter Noddack (1903-1960), einen Schüler des Nobelpreisträgers Walter Nernst (1864-1941), kennen, den sie bald darauf heiratete. Schon vor der Hochzeit forschten die beiden gemeinsam. Zusammen mit dem Chemiker Otto Berg (1873-1939), einem Spezialisten für Röntgenstrahlung, suchten sie nach neuen Elementen. Sie konzentrierten sich dabei auf die Elemente mit den Ordnungszahlen 43 und 75, deren Existenz Dmitri Mendelejew (1834-1907) als Entwickler des chemischen Periodensystems vorausgesagt hatte.
Bereits 1925 gelang dem Trio die Entdeckung des Elements mit der Ordnungszahl 75. Es wurde auf den Namen Rhenium (lat. Rhenus für Rhein) getauft – nach der Heimat von Ida Noddack. Die Entdeckung von Rhenium wurde rasch bestätigt und 1928 gelang es dem Ehepaar Noddack, aus 660 Kilogramm Molybdänerz ein Gramm reinstes Rhenium zu gewinnen. Ein zweites entdecktes Element, bei dem es sich um das Element mit der Ordnungszahl 43 handeln sollte, wurde in Erinnerung an die masurische Heimat von Walter Noddack Masurium genannt. Diese Entdeckung aber wurde in der Fachwelt vehement angezweifelt, da das Ehepaar Noddack die Darstellung nicht bestätigen konnten. Das mag auch der Grund dafür sein, dass Ida Noddack in den 1930er-Jahren zwar mehrmals für den Chemienobelpreis vorgeschlagen wurde, ihn aber nie erhielt. Der unumstrittene Nachweis des Elements 43, das heute den Namen Technetium trägt, erfolgte 1937 durch Forscher aus Italien.
Das Ehepaar Noddack ging 1932 an die Universität Freiburg. Mit einem Beitrag in der renommierten Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ sorgte Ida Noddack 1934 für erhebliches Aufsehen. Sie äußerte darin die Vermutung, dass schwere Atomkerne beim Beschießen mit Neutronen in mehrere größere Bruchstücke – in Isotope von bekannten Elemente – zerfallen sollten. Ihre These einer solchen Kernspaltung löste heftigen Widerspruch aus, denn sie stand nicht im Einklang mit den damaligen Vorstellungen von Atomkernen. Einer der größten Kritiker war der Chemiker Otto Hahn, der mit dem Satz zitiert wird: „Ihre Annahme vom Zerplatzen des Atomkerns ist doch absurd“. Vier Jahre später beobachteten Lise Meitner (1878-1968), Otto Hahn (1879-1968) und Fritz Straßmann (1902-1980) die erste Kernspaltung. Nur die Herren Hahn und Straßmann erhielten dafür 1944 den Nobelpreis für Chemie. Erst kurz vor seinem Tode würdigte Hahn die frühe Erkenntnis von Noddack mit den Worten: „Und die Ida hatte doch recht.“
Ab 1942 forschten und lehrten die Eheleute Noddack in Straßburg an der von den Nationalsozialisten Ende 1941 gegründeten Reichsuniversität. Nach dem Zweiten Weltkrieg übersiedelte das Paar nach Bamberg und baute dort das Forschungsinstitut für Geochemie an der Philosophisch-Technischen Hochschule auf, der Vorläuferinstitution der Universität Bamberg. Nach dem überraschenden Tod ihres Mannes im Dezember 1960 arbeitete Ida Noddack weiter am Institut und wendete sich ab diesem Zeitpunkt auch biochemischen Fragestellungen zu. 1968 ging sie in den Ruhestand.
Ida Noddack verstarb am 24. September 1978 im Alter von 82 Jahren in Bad Neuenahr in einem Altenheim. Sie wurde in Bamberg an der Seite ihres 18 Jahre zuvor verstorbenen Ehemannes beigesetzt.
Für ihre richtungsweisenden Forschungsergebnisse erhielt Noddack zwar keinen Nobelpreis, aber zahlreiche Ehrungen, darunter 1931 als erste Frau zusammen mit ihrem Mann die Liebig-Denkmünze des Vereins Deutscher Chemiker, der Vorläuferorganisation der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh). 1937 wurde sie zum Mitglied der Leopoldina gewählt und 1966 mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
• F. Habash: Ida Noddack and the missing elements. Education in Chemistry, Vol. 46, No.2, Royal Society of Chemistry, 2018, S. 48
• I. Noddack: Über das Element 93, Angewandte Chemie 47 (37), 1934, S. 653
• I. Tacke, W. Noddack, O. Berg: Die Ekamangane, Naturwissenschaften 13 (26), 1925, S. 567
Hinweis
Die in dieser Reihe veröffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, möchten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen Fällen gibt es ausführliche chemiehistorische Arbeiten.
Autoren
Prof. Dr. Eberhard Ehlers
Prof. Dr. Heribert Offermanns
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. Uta Neubauer
Projektleitung
Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-Öffentlichkeitsarbeit)
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Foto: Dome_de, Ida Noddack-Tacke, CC BY-SA 3.0
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zuletzt geändert am: 08.06.2021 13:13 Uhr von M.Fries