Als erste Frau leitete Emma Maria Wolffhardt bei BASF ein eigenes Forschungsgebiet. Von 1925 bis 1960 stand sie im Dienst des Unternehmens und entwickelte im dortigen Ammoniaklabor unter anderem einen klopffesten Flugzeugtreibstoff.
Die am 27. Juli 1899 geborene Emma Maria Wolffhardt studierte Chemie an der Würzburger Universität und war danach als Assistentin an der Technischen Hochschule Karlsruhe tätig. Ihre Doktorarbeit fertigte sie bei Stefan Goldschmidt (1899-1971) an, einem Schüler des bekannten Chemikers und Nobelpreisträgers Adolph von Baeyer (1835-1917). Goldschmidt, der zur Chemie von Radikalen forschte, hatte 1923 eine außerplanmäßige Professor in Würzburg erhalten, nahm aber kurz darauf einen Ruf nach Karlsruhe als Leiter der organischen Chemie an.
Wolffhardt trat im Juli 1925 in das Chemieunternehmen BASF in Ludwigshafen ein. Ihr erster Arbeitsplatz war das Literaturbüro des Hauptlaboratoriums. Schon bald bewarb sie sich erfolgreich um eine Assistentenstelle bei Alwin Mittasch (1869-1953), dem damaligen Leiter der Ammoniaklabors. Mittasch war bekannt für seine Arbeiten zu Katalysatoren für die Ammoniaksynthese.
Ab 1940 leitete Wolffhardt als erste Frau ein eigenes Forschungsgebiet bei BASF. Als erste Forscherin erkannte sie den Wert des Kalottenmodells für die Entwicklung von Katalysatoren. Das Kalottenmodell, wenige Jahre zuvor von dem Physiker Herbert A. Stuart (1899-1974) entworfen, veranschaulicht die dreidimensionale Gestalt von Molekülen. Es stellt die Atome eines Moleküls durch Kugelausschnitte (Kalotten) dar, wobei die verschiedenen chemischen Elemente in unterschiedlichen Farben erscheinen und die Atomgrößen, Bindungswinkel sowie Bindungslängen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Wolffhardt nutzte das Kalottenmodell vor allem zum Verständnis und zur Verbesserung der organischen Synthese. Auf diese Weise gelang ihr erstmals die Herstellung von nennenswerten Mengen an 2,2,3-Trimethylbutan (Triptan), einem hochwertigen, klopffesten Flugzeugkraftstoff mit einer Oktanzahl von 112.
In der Geschichte der BASF war Wolffhardt nicht nur die erste Akademikerin mit eigenem Forschungsgebiet, sondern auch die erste Frau, die dort ihre 25-jährige Betriebszugehörigkeit feierte. Nach diesem Dienstjubiläum im Jahr 1950 forschte sie weitere zehn Jahre – bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1960 – im Ammoniaklabor bei BASF.
Emma Maria Wolffhardt verstarb am 12. November 1997 im Alter von 98 Jahren in Heidelberg.
Hinweis
Die in dieser Reihe veröffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, möchten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen Fällen gibt es ausführliche chemiehistorische Arbeiten.
Autoren
Prof. Dr. Eberhard Ehlers
Prof. Dr. Heribert Offermanns
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. Uta Neubauer
Projektleitung
Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-Öffentlichkeitsarbeit)
Verantwortlich für den Inhalt der Biographien sind die Autoren.
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Fotos: BASF Corporate History, Ludwigshafen a.Rh (Download nicht gestattet)
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zuletzt geändert am: 01.02.2022 10:57 Uhr von K.J.Schmitz