Dr. Romy Marx promovierte in Biochemie, machte einen Postdoc und stieg dann als wissenschatliche Mitarbeiterin bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz für Arbeitsmedizin ein. Mittlerweile ist sie dort als wissenschaftliche Oberrätin verbeamtet und sorgt für den Schutz von Beschäftigten vor Risiken mit chemischen Arbeitsstoffen.
Interesse an Flora und Fauna und der Drang zu verstehen, wie das Leben funktioniert, haben mich zum Studium der Biochemie bewogen. Das ist nicht zufällig passiert, sondern war schon früh mein Wunsch. Die Spezialisierung auf Neuro- und Elektrophysiologie war wohl eher das Zusammenfallen von Zufällen. Genau genommen ist meine Ortsgebundenheit ein bestimmender Faktor gewesen. Ich wollte keine Promotion oder einen Postdoc im Ausland machen, sondern dem Ruhrgebiet treu bleiben. Dadurch war ich inhaltlich vielleicht eingeschränkt, aber man kann jedes Projekt zu seinem Projekt machen und ich fand mein Promotionsthema letztlich extrem spannend. Besonders reizvoll fand ich die Suche nach genotypischen Ursachen für phänotypische, klinische Symptome.
Der Weg des Naturwissenschaftlers ist recht gradlinig vorgegeben. Nach Promotion diverse Postdoc-Stellen, möglichst viel mit hohem Impact publizieren, habilitieren und berufen werden. Also habe ich eine Postdoc-Stelle angetreten. Mir war damals jedoch bereits bewusst, dass die damit verbundene Erstellung von Anträgen zur Drittmittelakquise für mich keine Dauerlösung ist. Daher habe ich mich nach anderen Stellen auch über die Forschung an Unis und Instituten hinaus umgesehen. Im Zeitraum meiner Suche gab es grundlegende Änderungen im europäischen Chemikalienrecht und das Inkrafttreten der REACH-Verordnung, die in Deutschland zur Einstellung vieler neuer Fachkräfte geführt hat. Dies hat mir zugespielt. Grundvoraussetzung war ein naturwissenschaftliches Studium und Englischkenntnisse, gepaart mit dem Angebot einer unbefristeten Beschäftigung am Standort Dortmund. Ich habe mich beworben und hatte das Glück, die Stelle zu bekommen.
Was ich heute mache hat mit dem, was ich studiert habe, inhaltlich nichts zu tun. Das Studium und die Promotion helfen dabei, fokussiert ein Projekt zu bearbeiten, wissenschaftliche Zusammenhänge zu erfassen, strukturiert zu arbeiten und schulen eine gewisse Frustrationstoleranz. Allerdings war ich schon immer so gestrickt, dass mir mein Beruf mein Leben ermöglicht und nicht, dass mein Beruf mein Leben bestimmt. Daher kam immer privat vor beruflich und persönliche Planungssicherheit vor thematischen Ansprüchen. Ich habe insgeheim immer mit dem öffentlichen Dienst geliebäugelt. Der Weg in die Bundesanstalt kam dann schneller als erwartet, weil die Möglichkeit einfach da war.
In meinem zehnten Jahr mache ich hauptsächlich Politikberatung. Bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht (wie dem Arbeitsschutz) und bei REACH nehmen Mitgliedsstaaten Aufgaben wahr, die in bundeshoheitliche Zuständigkeit fallen. Für den Schutz von Beschäftigten vor Risiken mit chemischen Arbeitsstoffen heißt das konkret, das Vorschriften vorgeschlagen und erarbeitet werden müssen, die dieses Schutzziel verfolgen und sich für die Umsetzung in Deutschland eignen. Das zuständige Ministerium wird dann fachlich beraten, wenn die Regelsetzung in Deutschland sowie der EU sozialpartnerschaftlich abgestimmt wird (entweder durch Zuarbeit oder Delegation der Aufgaben). Die fachliche Beratung gehört zu meinen Aufgaben.
- Interesse an fachpolitischen Zusammenhängen
- Spaß und Enthusiasmus bei der Gestaltung langfristiger (5 Jahre und mehr) Projekte
- gute Kommunikationsfähigkeiten (Englischkenntnisse exzellent)
- Verständnis kultureller Unterschiede und Kenntnis verschiedener Interessensgruppen
- Kritikfähigkeit an eigener Arbeit (fachlich richtig heißt nicht unbedingt politisch opportun)
Ich koordiniere ein Team (5 Personen) innerhalb meiner Fachgruppe (15 Personen) und bin darüber hinaus Teil eines matrixstrukturierten Prozesses. Neben verpflichtenden, administrativen Aufgaben (Aktensicherheit Behörde), bin ich Mitglied in einigen deutschen und EU-Arbeitskreisen, so dass ich regelmäßige Reisetätigkeiten in Deutschland und der EU wahrnehme. Darüber hinaus bin ich regelmäßig zu Vorträgen eingeladen und organisiere aktiv Veranstaltungen mit deutschem oder europäischem Publikum. Diese Dinge unterliegen in der Regel langfristigen Planungen und sind selten unvorhergesehen. Spontan müssen wir reagieren, wenn wir z. B. kleine Anfragen, die in unseren Zuständigkeitsbereich fallen, von Parteien bekommen oder Erlasse von Ministerien. Dann bleibt alles andere liegen, weil Bearbeitungszeiten von wenigen Stunden notwendig sind. Das ist jedoch eher die Ausnahme und die Arbeit ist sehr gut planbar.
Inter- und intradisziplinäre Zusammenarbeit und Teamfähigkeit sind ein Grundpfeiler meiner Arbeit.
Die (selbstbestimmten) regelmäßigen Arbeitszeiten, die freien Wochenenden und die sehr gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind der große Unterschied zur Zeit der Promotion und in der Forschung. Darüber hinaus hängt meine wirtschaftliche Zukunft nicht mehr davon ab, dass ich möglichst viel publiziere oder Drittmittel einwerbe. Dadurch habe ich Zeit, mich vollständig um die fachlichen Inhalte meiner Arbeit zu kümmern. Außerdem empfinde ich es persönlich als großen Vorteil, dass ich
dauerhaft in meinem fachlichen Umfeld aktiv bin, wodurch sich ein solides und verlässliches Netzwerk bilden lässt und die wirkliche Spezialisierung im Fachthema ermöglicht wird.
Ich gebe zu, dass ich Idealistin bin und viel Energie daraus ziehe, dass ich mit meiner Arbeit die Welt vielleicht ein klein wenig besser machen kann.
Wenn ich richtig agiere und es schaffe mit fachlichen Argumenten die politische Ebene zu überzeugen, dann kann ich vielleicht für einige Beschäftigte Ihre Tätigkeiten so sicher gestalten, dass sie keine Risiken für Erkrankungen mehr haben. Das ist mein Antrieb.
Herausfordernd ist, dass man einen langen Atem braucht und Geduld, bis die guten Ideen wirklich in umgesetzte, gelebte Praxis übergehen. Aber da ich noch einige Jahrzehnte Arbeit vor mir habe, kann ich diese Geduld erübrigen.
Auf jeden Fall. Anfangs war die REACH-Verordnung für alle beteiligten Akteure Neuland und die Mitgestaltung der Umsetzung sowie die Entwicklung von Strategien war der beherrschende Teil meiner Arbeit in der Anfangszeit. Die Arbeit hat dann zum Blick über den Tellerrand geführt und zum Wechsel auch auf andere Themen. Zu Beginn ist man auch in allen Teilverfahren beteiligt, irgendwann ergibt sich dann fast ohne Zutun eine Spezialisierung auf Teilaspekte und inhaltliche Schwerpunkte innerhalb des Teams. Darüber hinaus bekommt man mit der Zeit auch mehr Verantwortung, so dass sich die Aufgaben auch in Richtung administrative und personelle Verantwortung verlagern.
Typischerweise fängt man als wissenschaftlicher Mitarbeiter an und wird bei Eignung und Leistung tariflich höhergruppiert. Im Falle einer Verbeamtung wird man zum wissenschaftlichen Rat und auch dort ist bei Eignung und Leistung der Aufstieg zum Oberrat vorgesehen. Ein weiterer Aufstieg ist dann nur noch mit Personalverantwortung und Mitarbeiterführung in Form einer Gruppenleitung möglich, jedoch sind diese Stellen naturgemäß nicht häufig vakant. Abordnung zu den Ministerien, zu Kommission in Brüssel oder zur ECHA nach Helsinki sind gewünscht und werden unterstützt und bieten daher auch die Möglichkeit zur Entwicklung, wenn man dies anstrebt. Im Laufe des Berufslebens sind auch Leitungspositionen möglich.
Da es heute nicht mehr so viele Stellen gibt, wie noch vor 10 Jahren und inzwischen viel Erfahrung in den Behörden vorliegt, ist der Einstieg sicher nicht mehr so einfach.
Aber: Bei Interesse und Enthusiasmus lohnt sich eine Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle auf jeden Fall.
Um die Einstellungschancen zu erhöhen, sollte die Bewerbung in jedem Fall die eigene Motivation verdeutlichen, warum die Tätigkeit in einer Behörde angestrebt wird. Das trennt die Spreu vom Weizen, wenn die Bewerbungen gesichtet werden. Tatsächlich ist der Einstieg das Schwierigste und man sollte sich sehr gut vorbereiten, wenn man zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird. Wir suchen Kollegen, mit denen wir über viele Jahre eng zusammenarbeiten und der Bewerber sollte den selben Wunsch widerspiegeln.
Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung genderspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.
zuletzt geändert am: 14.08.2020 08:25 Uhr von N/A