Nach einem einjährigen Postdoc im Ausland stieg Dr. Timo Ott bei der Grillo-Werke AG ein. Zunächst als Projektleiter F&E ist er als Leiter Produkt- und Verfahrensentwicklung nun für die Leitung des F&E Chemielabors und des Chemie-Technikums zuständig.
Im Bereich der Chemie hat mich immer der eigentliche Vorgang einer Stoffumwandlung fasziniert. Chemische Reaktionen zu beobachten, Erklärungsmodelle zu erarbeiten, diese weiter zu ergänzen und auf neue Art anzuwenden, hat für mich an der Chemie schon sehr früh einen besonderen Reiz gehabt. Deshalb habe ich im Bereich der "Synthesechemie" mein Interesse gefunden. Ich sehe mich nicht als klassischer "Organiker", "Metallorganiker" oder "Anorganiker". Vielmehr sehe ich mich als jemand, der neue Konzepte erarbeitet und bewährte anwendet, um die Natur auf dem Weg zu neuen Stoffen und neuen Sythesewegen vermeintlich auszutricksen.
Eine neue Synthese zu entwickeln ist eine spannende Reise, die Jahre dauern kann – und am Ende steht womöglich ein kleiner Beitrag in eine nachhaltige Zukunft.
Nach meiner Promotion war ich für ein Jahr Postdoc am "Center for Catalysis Research and Innovation" in Ottawa, Kanada. Über die Bewerberdatenbank* der GDCh wurde Grillo auf mich aufmerksam und hat mich mit einem Stellenangebot bereits vor meiner eigentlich geplanten Bewerbungsphase zurück nach Deutschland geholt. Ohne große Erwartungen habe ich das Angebot angenommen. Rückblickend bin ich sehr überrascht und auch sehr dankbar über die Möglichkeiten, das Vertrauen und die Flexibilität, die mir im mittelständischen Familienunternehmen entgegengebracht wurden.
Während meines Studiums wurde suggeriert, Forschung auf hohem Niveau gäbe es nur bei "den Chemieriesen", Forschungseinrichtungen oder an Universitäten. Das hat sich als grundlegend falsch herausgestellt.
* Anmerkung der Redaktion: Bewerberdatenbank ist nicht mehr aktiv
Ich hatte mich früh auf zwei Optionen "eingeschossen": Hochschullaufbahn oder Forschung in der Industrie. Mittlerweile weiß ich, dass
der Beruf des Chemikers so unglaublich viele Facetten annehmen kann und die Berufsbilder so vielfältig sein können – in den unterschiedlichsten Branchen.
Ich hatte mir wenig Zeit genommen, mich darüber zu informieren und bedauere das manchmal, weil ich viele Möglichkeiten einfach ungesehen ausgeblendet hatte. Letztendlich hatte ich aber immer ein klares Bild vor Augen, wie ich mir meine spätere Arbeit vorstelle und obwohl ich die Stelle bei Grillo durch mehrere Zufälle bekommen habe, wurde diese Vorstellung bisher absolut erfüllt.
Derzeit bin ich "Leiter Produkt- und Verfahrensentwicklung". In dieser Funktion leite ich das F&E Chemielabor und das Chemie-Technikum. Weiterhin bin ich Betriebsleiter einer Pilotanlage zur Herstellung einer "grünen Säure" für Anwendungen in der Galvanik, der Pharmazeutischen- oder Reinigungsmittelindustrie. In diesen Funktionen leite ich die Mitarbeiter der Betriebsmannschaft der Pilotanlage sowie das Technikum- und das Laborteam an. Diese sind Ingenieure, Chemiker, Laboranten, Mechaniker und Chemikanten.
Die Aufgaben umfassen drei Themengebiete: a) Unterstützung der Produktionsbetriebe & Optimierung von bestehenden Produktionsverfahren b) Beantwortung von chemischen Fragestellungen c) Entwicklung von neuartigen & fortschrittlichen Produktionsverfahren.
Neben fundierten Kenntnissen in allen Bereichen der Chemie sind
Englischkenntnisse, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz, Kreativität sowie die Bereitschaft sich fort zu bilden und quer zu denken wichtig.
Zudem hilft es, über den Tellerrand zu schauen, Offenheit, Toleranz und Empathie zu zeigen. Reisebereitschaft ist ebenfalls wichtig.
Eine gewisse "praktische" Begabung in Labor und Technikum ist auch dann von Bedeutung, wenn man eventuell nicht mehr selbst „praktisch mitarbeitet“. Abschließend kann man sagen, dass man für Erfolg keinen "9-5-Job" erwarten kann. Ideen entstehen meistens außerhalb der Arbeitszeit und gehen verloren, wenn man diese nicht unmittelbar zu Ende denkt. Flexibilität ist daher sehr wichtig.
Nach dem ersten Bearbeiten aufgelaufener E-Mails mache ich in der Regel einen Rundgang durch Labor und Technikum, um die letzten Ergebnisse und weitere Prozesse zu besprechen sowie Fragen zu klären. Danach geht es zurück an den Schreibtisch, um Anfragen und Nachrichten zu bearbeiten. Die Mittagspause nutze ich in der Regel, um mich mit Kollegen auszutauschen.
Der Nachmittag ist zunächst Besprechungen vorbehalten: Mit dem Laborteam bespreche ich Auswertungen und Analysedaten. Im Anschluss informiere ich meinen Vorgesetzten über den Stand der Projekte, wir besprechen Budgets, Personalangelegenheiten und weitere Vorgehen. Danach geht es wieder an den Schreibtisch: Budgets planen, Bestellungen aufgeben, Aufgaben delegieren und so weiter.
Zu späterer Stunde diskutieren wir nochmal mit den Kollegen anderer Abteilungen sowie Vorgesetzten die letzten Ergebnisse und ich bearbeite weitere offene Aufgaben. Zuhause angekommen, widme ich mich Ideen oder anderen Themen der Chemie. Wochenweise habe ich Rufbereitschaft für das Technikum.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass das Arbeitsumfeld vielfältiger geworden ist. Nicht nur durch die Inhalte außerhalb der Chemie wie Personalführung, Controlling oder Projektmanagement. Auch die Kommunikation ist wichtiger und anspruchsvoller als früher – Insbesondere die Kommunikation mit Nicht-Chemikern in den unterschiedlichsten Bereichen (Ingenieure, Betriebswirte, Anwälte, Patentanwälte ...). Es ist wichtig Kollegen inhaltlich "abzuholen" und über den Stand der Projekte zu informieren ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen. Auch bei Besprechungen in größerem Rahmen kann es anspruchsvoll werden alle Kollegen zu erreichen, ohne die eine Hälfte zu langweilen und die andere Hälfte gleichzeitig zu überfordern.
Die praktische Arbeit im Labor ist auf ein Minimum gesunken.
Da wir jedoch oft anspruchsvolle Synthesen durchführen, ist es notwendig, dass ich gelegentlich im Labor unterstütze, gewisse Dinge überprüfe oder selbst ausprobiere.
Die Möglichkeit auch nach dem Studium
neue chemische Reaktionen zu testen, zu entwickeln, im Technikum umzusetzen - und letztendlich "einfach Chemie zu machen" bereitet mir sehr viel Freude.
Die Zusammenarbeit mit einem produktiven, gut ausgebildeten Labor- und Technikum-Team ist sehr motivierend. Ebenso das Vertrauen, das mir von Vorgesetzten entgegengebracht wird. Denn das Geld und die Ressourcen die heute in Forschung + Entwicklung (F+E) investiert werden führen frühestens mittelfristig zu belastbaren Ergebnissen und diese tragen in der Regel erst langfristig süße Früchte. Ohne dieses Vertrauen sowie die notwendige Ausdauer und Zuversicht auf allen Seiten ist eine erfolgreiche F+E nicht sinnvoll zu betreiben.
Mein Aufgabenfeld wurde über die Jahre breiter. Zunächst war es hauptsächlich auf ein Projekt beschränkt, danach kamen weitere Projekte, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten hinzu. Auch das Team ist gewachsen. Anfangs waren wir zu dritt, heute arbeiten in Labor und Technikum 17 Mitarbeiter. So konnte ich zusammen mit meinen Aufgaben über die Zeit wachsen. Oft ist die F+E nur ein Einstieg. Nach wenigen Jahren gehen viele Kollegen in den meisten Firmen in die unterschiedlichsten Bereiche, was auch notwendig und absolut sinnvoll ist. Jedoch wird dabei übersehen, dass sich Berufserfahrung auch in der F+E auszahlt. Insbesondere, wenn umfangreichere Projekte bearbeitet werden müssen.
Wenn man an die "klassische Karriere" im Industrieunternehmen denkt, kann sich neben der Möglichkeit Forschungsleiter zu werden auch die Möglichkeit ergeben, Verantwortung für weitere Analyse- oder Forschungslabore zu übernehmen. Ebenso ist auch ein späterer Absprung aus der F+E denkbar, z. B. um ein eigenes Geschäftsfeld oder gar einen Bereich zu leiten oder aufzubauen.
Daneben gibt es auch die Möglichkeit eine Spezialistenkarriere anzustreben. Dies ist nicht überall möglich und wird meiner Meinung nach als "Abstellgleis" angesehen. Dies hängt aber u.a. auch stark von der Sparte ab. Zuletzt ist die persönliche Weiterentwicklung immer die Chance voranzukommen - sei es in der Industrie oder an einer Hochschule.
Zunächst: Machen Sie sich selbst ein Bild, was Sie eigentlich wollen und informieren Sie sich umfangreich.
Aus meiner Sicht ist es hilfreich alle Vorurteile und gut gemeinten Ratschläge von Freunden, Familie, Hochschullehrern usw. vorerst auszublenden.
Danach: Die Bewerbungsphase planen.
Bewerben Sie sich nicht nur bei den großen Chemiefirmen, nehmen Sie auch kleine und branchenfremde Unternehmen mit ins Spektrum auf.
Entwicklung von Materialien z. B. braucht doch fast jeder – und wer kennt sich mit den Eigenschaften von Polymeren oder Metallen schon besser aus als ein Chemiker?! Auch wenn Firmen formell andere Adressaten mit ihren Ausschreibungen ansprechen – als Chemiker hat man durchaus die Chance zu überzeugen! Geben Sie den Firmen aber auch die Möglichkeit, Sie über entsprechende Profile selbst zu finden.
Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung genderspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.
zuletzt geändert am: 27.05.2019 09:22 Uhr von N/A